FiiO R9 Test – gesamtes Gerät

Test: Streamer

FiiO R9 im Test: Streamer und Kopfhöreramp mit Android-Betriebssystem

High-End-Musikgenuss am Schreibtisch verspricht FiiO für den Streamer und Kopfhörer-Verstärker R9, der im Test mit ungewöhnlichen und vielen Features imponiert.

| Julian Holländer

 

Musikstreamer gibt es viele, und im Prinzip ähneln sie sich alle: sie bekommen ihre Musik vom Server eines Streamingdienstes oder vom eigenen Heimserver geschickt, wandeln diese meistens ins Analoge und geben das Signal weiter. Bis zu diesem Punkt könnte so gut wie jedes beliebige Handy oder Computer das auch, und genau da setzen HiFi-Streamer an – sie wollen den ganzen Prozess so hochwertig wie möglich durchführen, bearbeiten das digitale Signal, optimieren die Wandlung und bauen zusätzlich analoge Schaltkreise ein.

In der Theorie unterscheidet also die Chip-Bestückung einen Streamer von einem Computer oder Handy – wieso dann nicht bei der Nutzeroberfläche einfach auf ein Handy-Betriebssystem setzen, dachte sich die chinesische Firma FiiO vermutlich. Denn das fällt im Test des R9 als Erstes auf, das große und gut aufgelöste Display zeigt ein für viele Menschen bekanntes Interface an: das Android-Betriebssystem, welches von praktisch allen Nicht-Apple-Handys genutzt wird und das auch auf diesem Streamer läuft.

Komplett identisch ist es zwar nicht, da FiiO einige HiFi-Features versteckt hat, aber dadurch gleicht der Desktop-Streamer in seiner Bedienung stark einem Smartphone. Erster Vorteil: Ein Handy gehört bei den allermeisten Menschen heute zum Alltag, sodass die Bedienung des Streamers nicht erst erlernt werden muss, da man sie im Zweifel schon zu großen Teilen kennt.

Ist der FiiO R9 Handy, Computer oder Streamer?

Trotz Handy-Betriebssystem ist der neue FiiO-Streamer aber eher ein Computer. Und das nicht zuletzt, weil er eine Stromversorgung braucht und nicht mobil ist, wie etwa ein Porti-Player, die FiiO auch anbietet. Mit dem kastenförmigen Design passt der Streamer zumindest vom Look her auch in die Kategorie „Mini-Computer“. Da das Betriebssystem Android relativ offen ist, können auch Anwendungen installiert werden, die nicht von Anfang an auf dem Gerät sind.

Das ist eine so gute wie verblüffend seltene Idee: Immer wieder merken wir an, welche Streamingdienste ein Streamer integriert hat und welche nicht – was schnell zum Ausschlusskriterium für Kunden werden kann, wenn der favorisierte Dienst nicht unterstützt wird. Da aber jeder Dienst eine Handy-App hat, lässt sich über das Android-Betriebssystem jeder Dienst auf dem R9 installieren. Und das einfach und problemlos. Für HiFi-Apps präsentiert FiiO sogar eine eigene Auswahl, und der Google Play Store sorgt für alles Weitere.

Auf dem R9 kann jegliche App installiert werden

Dadurch hört es nämlich nicht bei Streaming-Apps auf: Der R9 ist Software-seitig ein Smartphone, also kann auch (fast) jede beliebige Smartphone-App auf ihm installiert werden, sofern sie für Android verfügbar ist. Während Videospiele oder E-Books vermutlich eher in die Kategorie „Spielerei“ fallen, können Messenger-Dienste, Mails, Kalender und ein Internet-Browser durchaus praktisch im Alltag sein – nicht zu vergessen, dass so auch (Musik-)­Videos, Filme und Streams auf dem FiiO angeschaut werden können, dessen Bildschirm zudem von Hoch- auf Querformat umgeschaltet werden kann.

Wer noch mehr Multimedia mit dem Streamer erleben will, freut sich zudem über die beiden HDMI-Ports. Einer davon hat ARC, kann also an einen TV angeschlossen werden und dessen Ton aufwerten. Mit dem zusätzlichen HDMI-Eingang wird selbiges für ein externes Gerät möglich: Blu-ray-Player oder Gaming-Konsole geben Bild und Ton an den Streamer, der gibt das Bild an einen Bildschirm, ver­arbeitet selbst den Ton und gibt ihn etwa an Kopfhörer weiter.

Mit HDMI und USB extern steuerbar

Auch möglich dank HDMI ist es, das Bild des R9 an einen externen Bildschirm weiterzugeben. Dann wird der USB-C-Anschluss, der auch Ton von einem Computer empfangen kann, noch interessanter. Denn hier können (über ein USB-Hub) auch Maus und Tastatur angeschlossen werden, und der Streamer kann so komplett ohne seinen eigenen Bildschirm gesteuert werden. Das funktioniert auch beides, die Übertragung ist flüssig und die Maus-Steuerung gut. Das an einen Bildschirm gegebene Bild entspricht jedoch dem des R9, wird also hochkant dargestellt.

Den Streamer so zu steuern, ist übrigens auch über die Fernbedienung möglich, die bis auf ein kleines Detail simpel und bekannt aussieht. Besagtes Detail ist die „Maus“-Taste, mit welcher die Remote im Stile eines Laserpointers einen Mauszeiger auf dem FiiO steuert und so jedwede Funktion aus der Ferne erreichbar macht – theoretisch zumindest, denn ganz an die Bedienungsqualität direkt am Gerät oder per Kabel-Maus kommt das nicht heran. Zuletzt auch, weil das Display zwar gestochen scharf und relativ groß ist – aber auch nicht groß genug, damit man aus mehreren Metern Entfernung die dann kleine Schrift lesen kann.

Anschlüsse und Betriebsmodi des Streamers FiiO R9

Aber erst mal genug der reichlichen Zusatz-Features; denn der R9 ist eigentlich von vorn bis hinten mit einem Ziel aufgebaut: hochwertige Audiowiedergabe. Trotz ungewohnter Optik ist auch das Anschlussfeld des Streamers gut und HiFi-gerecht gefüllt: Analog-Ausgänge in XLR und (2x) Cinch sowie Digital-Ein- und -Ausgänge, je optisch und koaxial, sorgen für so ziemlich alle wünschenswerten Verbindungen. Die erwähnten HDMI- und USB-Ports komplettieren das Angebot um Fernseher, Computer, Handys und Datenträger.

Je nach Verbindungsart schalten wir den Streamer in einen seiner neun Modi, bei de­nen sich das System auf eine Quelle fokussiert – z. B. Roon, Bluetooth, AirPlay oder USB. Dann werden die Android-Zusatz-­Features ignoriert, und übrig bleibt eine solide wie auch wohlbekannte Oberfläche, die Albumcover und -Infos zeigt sowie Musiksteuerung ermöglicht. Über einen Klick auf der Remote oder ein Wischen über den Touchscreen kommt man aber immer schnell auf die Startseite zurück.

Top-Chips von ESS und THX

Auch wenn der Streamer in der Bedienung dadurch wie ein Computer oder Handy anmutet, ist sein Inneres mehr HiFi-Gerät als alles andere, wofür FiiO sich namhafte Zulieferer gesichert hat. Die D/A-Wandlungs-Sektion arbeitet etwa mit ES9038Pro-Chips von ESS, laut der Firma aktuell „die weltweit leistungsstärkste 32-Bit-Lösung“ für diesen Job. Um die beiden Kanäle zu trennen, verbaute FiiO zwei dieser DACs, die ebenso kanalgetrennt zwei „THX AAA 788+“-Kopfhörerverstärker-Module füttern. Auch die etwa aus Kinos bekannte Firma THX verspricht für ihren Achromatic Audio Amplifier (AAA) bestmögliche Leistung mit niedrigen Verzerrungen.

So viele Vorteile das Android-Design des R9 mit sich bringt, gibt es aber auch Nachteile. Hier wird nämlich ein weiterer Unterschied zu klassischen HiFi-Streamern offensichtlich: Während man diese meistens auf vielfältigen Wegen mit Musik versorgen kann, läuft beim FiiO eben so gut wie alles direkt am Gerät.

Bedeutet konkret, dass er weder Spotify noch Tidal Connect unterstützt – beide Apps laufen ja schließlich auch direkt auf dem Streamer. Auch kann er nicht direkt mit Chromecast Signale empfangen, wobei das über eine inoffizielle App aus dem Google Play Store möglich gemacht werden kann.

Der FiiO R9 spiegelt seinen Bildschirm auf ein Handy

Beim Thema Cast präsentiert sich ein weiteres Problem inklusive einer Art Lösung: die Handy-App von FiiO für Smartphones. Derer gibt es sogar zwei: FiiO ­Music dient als App für die Wiedergabe vom internen Speicher des Streamers – kann aber auch auf einem normalen Handy installiert werden –, während „FiiO Control“ die externe Steuer-App ist. Nach der Verbindung von Handy und R9, lassen sich mit ihr gewisse Grundfunktionen aus der Ferne steuern. Viel mehr als eine Fernbedienung ist das aber nicht und als Streaming-App isoliert gesehen etwas dürftig – sie gibt zwar Zugriff auf angeschlossene Speichermedien, aber zum Beispiel nicht auf Streamingdienste und auch nicht auf alle Geräteeinstellungen.

Doch dann kommt ihr zweites Feature, das Casten, zum Vorschein. Der FiiO-Streamer kann seine Oberfläche auf andere Smartphones streamen, sodass diese in der App sichtbar und steuerbar wird. Das funktioniert nicht ganz flüssig und ist dadurch wohl nicht die beste Option, den FiiO zu kontrollieren, aber normale Interaktionen wie eine App öffnen, Musik suchen, abspielen, Lautstärke anpassen klappen damit befriedigend bis okay. In der Praxis eignete sich das hingegen am besten, um das eigene Handy zum zweiten Bildschirm das Streamers zu machen. Die Steuerung und etwa das Klicken durch einen Streamingdienst würden wir dann der Fernbedienung überlassen. Alles nicht so elegant, wie es eine richtige Steuer-App wäre, aber noch besser, als gar keine App anzubieten.

Auch das wäre nicht ausgeschlossen gewesen, denn der chinesische Hersteller vermarktet seinen neuesten Streamer ganz klar als ein Gerät für den Schreibtisch. Da ist seine Steueroberfläche wahrscheinlich immer zur Hand und lesbar, das eigene Handy kann beiseitegelegt werden, und die besagten Probleme werden unwichtig.

Der R9 scheint somit die Lösung für Kunden, die ihren Musikgenuss von allem anderen am Desktop getrennt haben möchten und so etwa kein Risiko eingehen wollen, dass irgendwoher Interferenzen in die Musik kommen. Denn wie eingangs erwähnt kann ein Computer oder Handy auch streamen, und per USB-Ausgang und gutem D/A-Wandler auch mit gutem Klang dienen – nur ist der Computer in diesem Beispiel nicht komplett auf Streaming fokussiert. Für ein solches Set-up kann der R9 auch in einen USB-DAC-Modus geschaltet werden.

Viele Möglichkeiten zur Klanganpassung

Für den Schreibtisch sind auch die Anschlüsse optimiert: Die Cinch- und XLR-Ausgänge sind für Aktivlautsprecher gedacht, und die drei Kopfhörer-Ausgänge – XLR 4-Pin, 4,4 mm, 6,3 mm – machen das Gerät zum Hybrid aus Streamer und Kopfhörer-Amp. Ein Drehregler auf der Vorderseite bestimmt dabei, ob Kopfhörer-, Preamp- oder alle Ausgänge aktiv sind. Für Headphones bietet der FiiO zudem die Auswahl zwischen fünf verschiedenen Gain-Modi, womit auch hochohmige Kopfhörer kein Problem sein sollten.

Die Einstellung dafür findet sich entweder im von Handys bekannten Menü, das mit einem Fingerwisch vom oberen Bildschirmrand nach unten abgerufen werden kann, oder in den Klangoptionen. Diese sind im Android-(Standard-)Modus in den Geräte-Settings zu finden, in den anderen Modi mit einem Tipp zu erreichen – und sogar Teil der externen Handy-App. Neben Gain sind da zum Beispiel auch einige digitale Filter zu finden oder die Möglichkeit, alle Dateien vor der Wandlung zu DSD zu konvertieren. Auch führt dieser Bildschirm zum Equalizer (technisch gesehen in einer anderen Anwendung), der mit insgesamt zehn Bändern sehr detailliert den Klang anpassen kann.

Bei so vielen ­Anpassungsmöglichkeiten fallen einige durchaus fast schon in die Kategorie „Spielerei“. Doch das muss ja nichts Schlechtes sein, das ganze Gerät ist ein Spielplatz für Fans von digitaler HiFi. Sei es herumzuprobieren am EQ, ­jedwede App zu installieren und in die Hörgewohn­heiten zu integrieren oder die witzige wie im Zweifel praktische Option, auf einem Musikstreamer seine Mails zu beantworten.

Und während Letzteres vielleicht nichts am Klang macht, trägt es zum Gesamtgefühl bei, dass es einfach Spaß macht, mit dem FiiO zu interagieren. Und gleichzeitig gibt es so viele Möglichkeiten, den Sound des R9 zu personalisieren und optimieren. Wobei er Letzteres gar nicht unbedingt braucht, auch mit neutralen Einstellungen überzeugt der FiiO klanglich.

Denn er spielt sauber, dynamisch und auch aufgeräumt; vom tiefen Paukenschlag über Blasinstrumente bis zu den hochtonigen Akzenten eines Schlagzeug-Beckens. Das alles, übrigens zu finden in Snarky Puppys „Shofukan“, setzt der R9 gekonnt in Szene, verbreitet es auf der Bühne und verliert auch in hektischeren Abschnitten nicht die Kontrolle. Eine kleine Schwäche entdeckten wir hingegen im Grundton, wodurch der Klang nicht immer so plastisch ist, wie er sein könnte.

R9 von FiiO im Klangtest als Kopfhöreramp

So präsentiert der Streamer sich am analogen Ausgang und einer Stereo-Kette, während der Kopfhörerverstärker am Schreibtisch auch stark performt. Opeths „Death Whispered A Lullaby“ zum Beispiel klingt sehr gut definiert und ausgesprochen räumlich. Ein komplett darauf fokussierter Kopfhörer-Amp – wie ­Myteks Liberty THX AAA, der gemäß seinem ­Namen ebenfalls THX-Verstärkertechnik beinhaltet – holt im Vergleich noch das letzte Stück Übersicht und Klangfarbe heraus. Aber dafür hat dieser zum gleichen Preis weder Streamer noch DAC.

Denn das ist die große Stärke des FiiO R9. Er ist unglaublich vielseitig und kann alles, was es für Desktop-HiFi braucht. Ein reiner Streamer oder Kopfhörer-Amp sticht ihn klanglich zwar aus. Aber für ein solches Multitalent klingt der R9 echt gut, und sein erfrischendes Android-Bedienungskonzept begeistert – sofern man ihn direkt am Gerät steuert.


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