Blick in die gute Stube der Rhinoçéros Bar in Berlin (Bild: Rhinoçéros / Ollie G. Tomlinson).
Blick in die gute Stube der Rhinoçéros Bar in Berlin (Bild: Rhinoçéros / Ollie G. Tomlinson).

Voll im Trend: Bars für gepflegten High-End-Musikgenuss

Listening-Bars: Hier spielt Musik die Hauptrolle

| Cord Radke

In sogenannten "Listening-Bars" können HiFi-Fans handverlesene Musik in bester Qualität erleben. STEREO stellt hier einige dieser speziellen Orte vor – von Berlin bis Stuttgart.

Das landläufige Konzept einer Bar sieht unbestreitbar so aus: Hierhin geht man, um sich in geselliger Runde zu treffen und gemeinsam et- was zu trinken. Und um sich zu unterhalten, während im Hintergrund Musik vor sich hin dudelt. Was aber, wenn das Konzept umgekehrt wäre: In Sachen Musik läuft handverlesenes Vinyl über ein High-End-System, während Konversationen beim Publikum Nebensache sind und allenfalls gedämpft im Hintergrund ablaufen? Wenn dem so ist, dann ist man vermutlich in einer Listening Bar.

New York, London, Berlin: Listening Bars weltweit im Trend

In den letzten Jahren ist diese Bar-Spezies weltweit zum Trend geworden. In Berlin etwa gab es 2023 einige Neueröffnungen wie das Unkompress oder die Bar Neiro, die inzwischen etabliert sind. Niemanden wird es wohl groß wundern, dass hier im Jahr 2017 die erste Bar dieser Art in Deutschland eröffnete. Auch wenig verwunderlich, dass es, wie so oft, in der europäischen Trendsetterhauptstadt London schon viele Listening Bars gab, bevor das Thema auf den Kontinent schwappte. Das „Behind This Wall“ etwa gibt es seit 2015 im Szene-Stadtteil Hackney in East London. Auch hier zog der Trend in den letzten zwei Jahren noch einmal an. Und noch vor London gab es Listening Bars in US-Metropolen wie New York.

Unkompress – Ein New Yorker in Berlin

Aus New York City, kommt Kevin Rodriguez, der seit 2023 die Umkompress“-Bar in Berlin-Kreuzberg betreibt. Hier bietet er Filterkaffee und Naturweine an, nebst Meeresfrüchte-Snacks aus Spanien und Portugal. Musikalisch gibt es bei Rodriguez Vinyl auf einem hochwertigen HiFi-System. „Jedes Mal, wenn ich eine Platte auswähle, hat sie eine Geschichte – sei es aus einem Plattenladen in Berlin, auf den ich verweisen kann, oder von einer Person, die hereinkam und sie mir empfohlen hat. Ich denke, diese Verbindung von Menschen und Musik sorgt für eine ganz besondere Inhouse-Kollektion“, ist sich Rodriguez sicher.

Aufgerüstete Komponenten fürs HiFi-System

Zu Gehör bringt er die Musik unter anderem mit einem 300B-Röhrenverstärker aus Japan, den er mit einem Freund zusammen selbst gebaut hat: „Alle Komponenten sind aufgerüstet und ich habe ein paar spezielle Teile ausgewählt, um einen bestimmten Klang zu erzielen.“ Im Unkompress ist die gesamte Audio-Kette analog, Die Zuspieler sind ebenfalls Japaner, nämlich modifizierte Technics-SL-1200-Plattenspieler. Sie befinden sich schon seit den 1990er-Jahren in Rodriguez‘ Besitz.

Info Unkompress

  • Adresse: Fichtestr. 23, 10967 Berlin
  • Website: www.unkompress.berlin
  • Geöffnet: Mi., Do.: 14 – 23 / Fr., Sa.: 14 – 1 Uhr
  • HiFi-System: Lautsprecher: Klipsch Cornwall, Technics SL-1200-Plattenspieler, DIY 300B-Röhrenverstärker (Japan), Resør Rotary-Mixer
  • Gastronomie: Filterkaffee, Naturweine, Snacks
  • Events: Album Listening Sessions

In Pionierrolle: die Bar Rhinoçéros

„Unsere Bar ist eine Hommage an die japanische Jazzbar. Als ich die Bar geplant habe, war ich zuvor noch nie in Japan gewesen. Philip Arneills Fotoarbeit (s. Kasten Buchtipp Tokio Jazz Joints“) war mein Fenster in diese Welt. Diese dunklen Räume, diese Vintage-HiFi-Anlagen, diese Schallplatten, diese Whiskys – was für eine starke Kultur! Ich war fasziniert, dass das von Liebhabern für Liebhaber gemacht ist. Es hat mich sehr beeinflusst“, sagt Bénédict Berna, Barchef und Jazzliebhaber. Bernas „Rhinoçéros“ im Berliner Prenzlauer Berg ist nicht irgendeine Listening-Bar, sondern in Deutschland die erste ihrer Art: „Als wir die Bar Rhinoçéros 2017 eröffnet haben, gab es das Konzept von ‚Listening-Bars‘ nicht. Es kam erst später, als die US-Amerikaner das aufgegriffen und so genannt haben“, erinnert sich der Franzose und Wahlberliner Berna.

Musikalisch geht es um Jazz und Vinyl

Mit seinem Pioniergeist und einem starken Konzept überstand das Rhinoçéros die Corona-Zeit: „Wir haben einen Wein, der so gut ist wie das Soundsystem klingt. Und eine Auswahl an Whiskys, die so interessant ist wie unsere Plattensammlung,“ so der Franzose Berna, dessen Faible für Rap und Hip-Hop-Musik ihn ursprünglich dazu brachte, Vinyl zu sammeln „Der Service, der Empfang, die angebotenen Inhalte, die Beleuchtung – alles muss auf dem Niveau der Liga sein, in der du spielen willst,“ erklärt er sein Erfolgsrezept. Musikalisch setzt Berna exklusiv auf Schallplatten und hauptsächlich auf Jazz. „Damit das Lautstärkeniveau bei Gesprächen im akzeptablen Rahmen bleibt, akzeptieren wir keine Gruppen mit mehr als vier Personen und bitten um ein Mindestmaß an Rücksichtnahme“, so Berna: „Damit haben wir einen relativ ruhigen Raum, der es ermöglicht, Musik in ausreichender Lautstärke zu hören.“ Darum geht es schließlich...

Info Bar Rhinoçéros

  • Adresse: Rhinower Str. 3, 10437 Berlin
  • Website: www.rhinoceros-berlin.com 
  • Öffnungszeiten: Di – Sa: 18:30 – 1 Uhr
  • HiFi-System: Boxen: Altec Lansing VOTT A7 (416 & 808+511 & JBL2405); Quad 33-Vorstufe, Quad 303-Endstufe, GG 2a3 Custom- Verstärker, Sim Audio LP110 Phono-Vorstufe, Resør 2500-Mixer, Plattenspieler: Micro-Seiki DQX-500 & Technics SL-1200 MKII
  • Gastronomie: Weinkarte, Snacks
  • Events: Livemusik, Listening-Sessions

Gut versteckt: Bar Neiro

Einen expliziten Jazz-Kissa-Bezug hat auch die Bar Neiro in Berlin-Mitte. Auch sie existiert seit 2023. In diese Bar stolpert man nicht einfach zufällig hinein, sie befindet sich nämlich im zweiten Obergeschoss eines typischen Berliner Fabrik-Hinterhauses aus der Gründerzeit. Der Betreiber, Erik Breuer, unterhält in unmittelbarer Nähe auch ein Tonstudio, mit dem er vor nicht allzu langer Zeit von Köln nach Berlin umzog. Über die Red Bull Academy, für die er Workshops gab, kam er unter anderem nach Tokio. „Da bin ich irgendwann über diese Orte gestolpert und habe mich dort immer sehr gerne aufgehalten“, beschreibt er sein Faible für die Jazz Kissa.

"... sich eine Platte im Kontext komplett anhören" in der Bar Neiro

Diese inspirierten ihn zur Eröffnung seiner Listening Bar, die in Berlin innerhalb kürzester Zeit einschlug: „Wir haben von uns aus nicht viel gemacht, außer in unserem Dunstkreis allen Bescheid zu sagen. Das hat sich sehr schnell rumgesprochen. Es kommen eigentlich die ganze Zeit mehr als genug Gäste“, freut sich Breuer und fügt hinzu: „Es ist eher so, dass man am Wochenende leider auch mal Leute wegschicken muss, weil wir halt schon aufpassen, dass es nicht zu voll wird und dass man die Musik noch hört.“ Denn, auch wenn es in Listening-Bars kein explizites Gesprächsverbot gibt, ist eben doch klar, dass die Musik die erste Geige spielen soll. „Die Idee ist auf jeden Fall, dass da nicht Stück nach Stück wie von einem DJ aufgelegt wird, sondern dass es in ruhiger Atmosphäre um Alben geht – und darum, sich wirklich eine Platte im Kontext komplett anzuhören.“

In Japans Jazz Kissa ist Redeverbot nicht unüblich

In Japan, erzählt Breuer, sei es durchaus Usus, dass in den Jazz Kissa Redeverbot herrsche. So weit wolle er aber nicht gehen, ansonsten bezieht er sich unübersehbar auf Japan, ob es nun um das Interieur oder die Auswahl der Whiskys der Bar Neiro geht, oder um das HiFi-System. „Die Verstärker sind aus Japan“, erklärt er: „Wir haben einen Shindo-Vorverstärker und -Verstärker hier stehen, altes Geräte, die auch besser klingen."

Vintage-Kinolautprecher aus der 50ern

Die Hörner der Lautsprecher sind original aus den Fünfzigerjahren“, schwärmt Breuer: „Das sind große 15-teilige Hörner, die den Raum noch mal ein bisschen breiter fluten. Die sind eigentlich für Kinos gebaut worden.“ Die Plattenspieler sind zwei Vintage-301-Modelle von Garrard. Für die Zukunft sieht Breuer in Sachen Exklusivität aber durchaus noch Luft nach oben: „Für unsere Deep Listening Sessions, wo ein Album richtig konzentriert durchgehört wird, wollen wir noch einen dritten Tonarm an die Plattenspieler bauen, mit einem etwas schickeren System. Das macht natürlich noch mal mehr her...“.

Info Bar Neiro

  • Adresse: Ohmstraße 11, 10179 Berlin
  • Website: www.barneiro.com 
  • Öffnungszeiten: Mi. – So.: 18 bis 1 Uhr
  • HiFi-System: Plattenspieler: Garrard 301 mit Schick 12"-Tonarm und Audio-Technica AT-ART1000 MC- / VM 750 SH MM-Abneh- mer; Shindo Monbrison-Vorstufe, Shindo Cortese-300B-Röhren-Endstufe, Boxen: Altec A5, Western Electric 825 Gehäuse, Altec 515b-Woofer, Altec-1505b-Hörner, Altec 288c Kompressionstreiber, Fostex T90A
  • Gastronomie: Cocktails, Spirituosen, Weine
  • Events: Deep Listening Sessions

 


High Fidelity Stuttgart – Listening- und Weinbar

Schwenk in den Süden der Republik, nach Stuttgart. Wer meint, Listening Bars wä- ren „so ein Haupstadt-Ding“ und nur in Berlin zu finden, der oder die kennt die High Fidelity Bar in der Schwabenmetro- pole nicht. Dabei war sie die zweite Bar ihrer Art, die in Deutschland eröffnete. Bernd Kreis brachte die High Fidelity Bar 2021 an den Start: „Als Fan von Jazzmusik und analoger Wiedergabe bin ich vor ge- raumer Zeit auf die japanischen Jazz Kissa aufmerksam geworden. Das hat mir Lust gemacht, so etwas auch zu eröffnen. Da ich selbst ursprünglich aus der Gastrono- mie komme und heute in der Hauptsache Weinhändler bin, hat sich das Konzept einer Weinbar als Listening Bar von selbst ergeben“, umreißt der Stuttgarter das Profil seiner Bar.

"Listening Zone" und "Coversation Zone" im High Fidelity

„Anfangs war das Küchenkonzept beschränkt auf Sánguches, peruanische Sandwiches; heute sind wir ein richtiges peruanisches Restaurant, aber auch immer noch Weinbar“, sagt Kreis, dessen Frau aus Peru stammt. Restaurantbetrieb bringt natürlich eine gewisse Grundlautstärke mit sich, was im High Fidelity so gelöst wird, dass es eine „Listening Zone“ und eine „Conversation Zone“ gibt. „Obwohl die Raumsituation zwischen den beiden Bereichen ziemlich offen ist, findet eine akustische Trennung statt. Wir haben die Akustik überwiegend mit Basotect-Ele- menten eingestellt“, erläutert Kreis. In Bezug auf das von ihm verwendete HiFi-System bezeichnet er sich selbst als ein Freund der Röhrentechnik mit Spaß am Selbstbau.

"Listening Experience" alle vierzehn Tage

Für die Listening-Bars gehört es zum allgemeinen Selbstverständnis, dass sie ihr HiFi-Setup auf der jeweiligen Website auflisten. Da macht Bernd Kreis keine Ausna me. Und es sollte ebenso klar sein, dass es sich auch bei ihm in der High Fidelity Bar um Analog und Plattenspieler dreht, in die- sem Falle „zwei ziemlich stark modifizierte Lenco L75.“ Wer ihnen und ihrem Klang lauschen will, hat dazu bei den vierzehntägig dienstags stattfindenden „Listening Experiences“ im High Fidelity Gelegenheit. Mit Jazz? Natürlich, „aber wir haben auch schon Post Punk, Soul und anderes gehabt. Das ist immer sehr kurzweilig, weil man viel über das jeweilige Thema erfährt“, sagt Kreis: „Kurz vor der High End hatten wir Masashi Miyake mit seinen Vinyl Audio Laboratory Tonabnehmern hier und im September stellt Daniela Manger ihre Schallwandler vor, die dann für etwa einen Monat bei uns spielen.“

Info High Fidelity Bar

  • Adresse: Brennerstraße 23, 70182 Stuttgart
  • Website: www.highfidelity.bar 
  • Öffnungszeiten: Di. – Do.: 18 – 24 Uhr; Fr., Sa.: 18 – 1 Uhr; Küche bis 21:30 Uhr
  • HiFi-System: Boxen: Altec-/Great Plains Audio 604-Lautsprecher in Altec 620-Gehäusen
    mit Jagusch-Frequenzweichen; 300B-Interstage-Mono-Endstufen, Transcendent Audio Masterpiece-Vorstufe, Plattenspieler: Lenco L75, Tonarme: Jelco SA-750L, Ortofon AS212 und 12“ Supatrac Blackbird, Tonabnehmer: Denon DL103, alles modifiziert
  • Gastronomie: Weinkarte, Restaurant mit peruanischer Küche
  • Events: Jeden zweiten Di von 19:30 bis 21:30 Uhr: „Listening Experience“

Listening-Bars im STEREO-Podcast

Bernd Kreis von der High-Fidelity-Bar und Bénédict Berna von der Bar Rhinoçéros kommen auch im STEREO-Podcast „Obligato“ zu Wort, bei dem sich der Host Tobias Harmeling, wie immer mit Gästen, dem Thema Listening-Bars widmet. Wenn wir Ihre Neugier geweckt haben und Sie Ihre hier gewonnenen Eindrücke vertiefen wollen, aber keine Listening-Bar um die Ecke ha- ben, dann hören Sie sich doch die Podcast-Episode 21 an. „Obligato“ gibt es auf den gängigen Portalen, auf www.stereo.de/podcast. Sie können auch einfach auf den Player unten klicken, um die Folge zu hören.


Buchtipp: Tokyo Jazz Joints

Der 168 Seiten starke, gebundene Bildband „Tokyo Jazz Joints“ entstand durch die Zusammenarbeit des nordirischen Fotografen Philip Arneill mit dem US-Radiomacher James Catchpole, die beide lange Zeit in Japan gelebt haben. Das Projekt versteht sich als visuelle Chronik dieser speziellen Kultur und hält ihre Schauplätze fest, indem sogenannte »Jazu Kissaten« aus ganz Japan dokumentiert werden. Allmählich verschwinden diese speziellen Orte aufgrund neuer Trends, der Gentrifizierung und des Alters ihrer Kunden. Mit „Tokyo Jazz Joints“ soll ein Stück dieser Geschichte bewahrt werden.
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