Es ist seine Stärke, dass er dies alles nicht belehrend macht, sondern emotionslos aus dem Blickwinkel des einfachen Mannes, der wie einst Bruce Springsteen oder Neil Young mit Anekdoten ein Bild des amerikanischen Südens zeichnet, und zwar so wahrhaftig wie derzeit kaum ein Zweiter. Man spürt: Hier singt einer, der auch selbst „auf die Fresse fliegt“, der über Drogenabhängige oder Alkoholiker singen kann, weil er selbst einer war, der linientreu während Corona nur vor geimpftem Publikum spielen wollte und dann trotzdem selbst wie alle anderen auch erkrankte.
Manchmal dreht Isbell auf; dann kommt seine räudige Rockvergangenheit durch, als er noch bei den Country-Outlaws Drive-By Truckers spielte. Meist lässt er aber Lagerfeuersongs vom Stapel, die gerade deshalb berühren, weil sie schlicht und reduziert sind, traurig oder gar sentimental bis zur Klischeegrenze und dabei direkt wie ein Schlag in die Magengrube. Diese Stärke teilt er mit Ryan Adams oder Wilco. Dass Isbell zudem eine sagenhafte Begleitband hat, die seine Lieder erst richtig zum Leuchten bringen, sichert ihm deutlich einen Vorsprung.
Peter Bickel